Mo., 9. Oktober 2023, 2. Reisetag / 165 Tageskilometer / vom Stellplatz "Besucherzentrum Loreley", St. Goarshausen nach Diedesfeld, Neustadt an der Weinstraße, Rheinland-Pfalz "Stellplatz Weingut Müller-Kern" (Promobil: Stellplatz "Weingut Müller-Kern") 20 €/ Nacht incl. Wasser, Abwasser, Strom, Sanitäreinrichtungen, Koordinaten: 49.3243016,8.1182104
Eine sehr ruhige Nacht verbrachten wir hier oben am Loreleyfelsen in Gesellschaft von weiteren vier Wohnmobilen. Unten im Tal pfeift schon mal einer der vielen Züge durchdringend, die sich hier neben der Landstraße ebenfalls dicht am Wasser des Rheins "entlangquetschen", oder die Autos der nahen Straße rauschen an einem vorbei. Aber hier oben ist von all dem nichts zu hören.
Es ist noch ein wenig bedeckt, 13° Celsius warm morgens um halb neun Uhr. Den ersten vollständigen Urlaubstag lassen wir ruhig angehen - wie eigentlich die meisten anderen auch 😉 - und nach einem gemütlichen, sich mal wieder in die Länge ziehenden Frühstück fahren wir um kurz vor halb zwölf Uhr weiter Richtung Rheinland-Pfalz, unserem Ziel Neustadt an der Weinstraße entgegen. Just dann, als drei Reisebusse am Parkplatz eintrudeln und die nächste Schar Touristen schwallartig "ausspuckt".
Kurz nach Abfahrt vom Loreleyfelsen geht es serpentinenartig durch den Taunus immer an der Grenze zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz entlang...
... bevor wir bei Lorch am Rheinsteig auf "Vater Rhein" treffen und ihm nun auf etliche Kilometer folgen - vorbei an unzähligen Campingplätzen und Burgen am Flussufer und den bekannten Städtchen Bingen und Rüdesheim. Letzteres besuchten wir schon im Herbst 2016 auf unserem Weg ins Elsass.
Nach kilometerlanger Fahrt am Rhein entlang nun südlich Richtung Rheinhessen
Bis nach Wiesbaden folgen wir dem rechtsrheinischen Ufer (oder der "Schäl Sick", wie der Kölner sagen würde), um dann in der Landeshauptstadt Hessens über den Rhein grob Richtung Mainz zu fahren, bekanntermaßen die Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz. Die Landschaft in Rheinhessen, rund um Alzey und Worms, ist recht flach und "langweilig", bis dann kurz vorm Ziel rechterhand der Pfälzer Wald auftaucht und mit seinen bewaldeten Mittelgebirgshügeln einen dunkelgrünen Kontrast zur trockenen Rheinhessen-Ebene darstellt.
Und das Schöne: Je näher wir unserem Ziel kommen, einem Weingut in einem kleinen Dorf in der Nähe von Neustadt an der Weinstraße, desto sonniger und wärmer wird es: Um kurz vor halb zwei Uhr 22° Celsius und Sonnenschein!
Der "Naturpark Pfälzerwald", der nach Übertritt ins französische Elsass ins "Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen" übergeht, zeigt sich am Horizont
Langsame Fahrt durch die beschaulichen Gässchen des kleinen Weindorfs Diedesfeld und Einfahrt zum dortigen Stellplatz am Weingut Müller-Kern
Am Ziel: Weingut Müller-Kern in Diedesfeld mit wunderbarem Blick aufs Hambacher Schloss
Um kurz nach halb zwei Uhr erreichen wir unser Ziel, das Weingut Müller-Kern am Rande von Diedesfeld, unmittelbar am Übergang der sanften Weinebenen zum Pfälzer Wald und direkt unterhalb des Hambacher Schlosses. Dass wir dieses Wahrzeichen deutscher Demokratie in solcher Nähe haben, war uns vorher gar nicht bewusst - kein Wunder, wenn man so spontan gestern Morgen die "Urlaubsrichtung" gewechselt hat...
Umso schöner jetzt: Wir haben das erste Ausflugsziel schon unmittelbar vor Augen, da wir nämlich von unserem Stellplatz aus einen fantastischen und unverstellten Blick aufs Schloss genießen. Noch sind wir die einzigen Stellplatz-Urlauber auf diesem Weingut, abgesehen von einem holländischen Paar mit Wohnwagen, das ein wenig abseits steht. Außerdem besitzt das Weingut noch vier Ferienwohnungen. Ob die zurzeit belegt sind, wissen wir allerdings nicht.
Die Winzerin erzählte uns, dass hier vor ein paar Tagen noch "der Bär steppte", überall rundum waren Weinfeste und wurde der Ausklang der Lese gefeiert. Gut (?), dass wir letzte Woche nicht hier gewesen seien, da hätten wir ohne Reservierung keine Chance auf einen Stellplatz gehabt. Doch jetzt, wo es wieder ruhiger sei, wäre es für uns Urlauber doch fast noch schöner, wenn man sich nicht gegenseitig quasi "auf die Füße tritt". Finden wir auch...
Hier ist es jetzt so schön, dass wir beschließen, drei Nächte zu bleiben und von diesem "Hauptquartier" aus die Gegend mit dem Rad oder zu Fuß entdecken zu wollen. Es gilt ja auch so einige Weine zu probieren... wozu ist man schließlich in einer Weingegend?
In der kleinen Holzhütte befinden sich Anmeldeformulare und - noch viel wichtiger 😅 - ein gut gefüllter Weinkühlschrank mit den leckeren Tropfen des Weinguts 🍷🍇
Spaziergang durch die Weinfelder
Nachdem wir uns ein wenig eingerichtet und auf dem Weingut umgeschaut haben, erkunden wir zu Fuß die nähere Umgebung und spazieren ein bisschen in den Weinfeldern herum, die sich unmittelbar hinter dem Wohnmobil erstrecken. Richtig warm ist es jetzt! T-Shirt-Wetter!
Uns fällt auf, dass noch zahlreiche Trauben an den Rebstöcken vor sich hin dörren, die meisten vertrocknet. Das kann doch kein Eiswein oder keine Spätlese werden?!
Der Winzer wird uns, darauf angesprochen, zwei Tage später erzählen, dass diese Trauben mit Absicht nicht geerntet wurden, da nur eine bestimmte Menge Früchte pro Quadratmeter Weinfeld verarbeitet werden dürfe und die überzählige Menge "zwangsdestilliert" werden müsse, was die Winzer Geld koste. Da ließen sie die Trauben doch lieber hängen...
Die Önologie, das Studium der Weinbaukunde, mit all den vielfältigen und anspruchsvollen Teilgebieten vom Wissen um den Wein und die Aufzucht der Pflanzen bis hin zum betriebswirtschaftlichen Führen eines Weinguts ist wirklich eine "Wissenschaft für sich". Diesen Eindruck konnten wir auch schon im September 2017 gewinnen, als wir mit Freunden ein weinseliges Wochenende ein wenig nördlicher von hier, in Monzernheim, auch in Rheinhessen, verbrachten.
Spaziergang durch die Weinfelder, über allem wacht das Hambacher Schloss
Radtour zum Hambacher Schloss bei schönstem Sonnenschein
Gegen halb vier Uhr sind wir zurück am Womo und beschließen angesichts des super Wetters, schon heute dem Schloss einen Besuch abzustatten. Wer weiß, was morgen alles ansteht und wie das Wetter wird... außerdem müssen wir ja "was zu tun haben"!
Nach kurzer Sucherei in den Weinfeldern und durch den Wald nach oben in der (irrigen) Annahme, dass die kleinen Wanderwege auch für Räder geeignet seien, sind wir trotz dieses kleinen Umwegs schon zwanzig Minuten später oben am Schloss.
Es ging eine kleine 30er-Zone-Einbahnstraße durch den Wald tatsächlich ziemlich steil nach oben, aber mit E-Bikes ist das ja kein Problem. Genau für solche (Urlaubs-) Situationen haben wir sie ja: unseren Radius vom Womo aus bequem erweitern zu können (gerade in unbekannten Gefilden), ohne völlig ausgepowert irgendwo ankommen zu müssen.
Am Hambacher Schloss mit wahnsinniger Aussicht auf die Rheinhessen-Ebene und einer wichtigen Botschaft
Um ziemlich genau vier Uhr am Nachmittag erreichen wir das Schloss. Das letzte Stück muss man zu Fuß gehen, egal, ob man sich für die kürzere, aber schnöde und langweilige Straße entscheidet, die auch Lieferfahrzeuge nehmen oder ob man den "romantischen" Siebenpfeifferweg wählt (benannt nach einem der maßgeblichen liberalen Publizisten, die das Hambacher Fest vorbereiteten), einen etwas längeren und verschnörkelteren Wanderweg rund um das Schloss durch den Wald. Wir wählen natürlich die schönere Waldroute.
Entlang des Siebenpfeifferwegs nach oben - mit auch hier schon tollen Aussichten durch die Bäume hindurch
Aber wichtig ist ja nicht der Weg dahin, sondern die Botschaft, die mit dem Hambacher Schloss verbunden ist: Hier fand das berühmte Hambacher Fest von 1832 statt, bei dem die Demokratie groß gefeiert wurde.
Das Hambacher Fest von 1832: "Hinauf, hinauf zum Schloss!" als Schlachtruf der Feiernden
Im Flyer zum Schloss heißt es: "Am 27. Mai 1832 strömten bis zu 30 000 Menschen zum Hambacher Schloss, um für politische Grundrechte, ein geeintes Deutschland und ein solidarisch verbundenes Europa einzutreten. Unter ihnen waren Männer und Frauen aus allen sozialen Schichten. Sie kamen aus der Pfalz sowie aus weiten Teilen des Deutschen Bundes, aber auch aus Polen, Frankreich und England. Es war die erste große Volksversammlung in der deutschen Geschichte. Gegen den Willen der Obrigkeit feierten die Teilnehmenden ein Fest, auf dem diskutiert, gestritten, gesungen und Farbe bekannt wurde. Mit schwarz-rot-goldenen Fahnen und Kokarden bekannten sie sich zu einem geeinten Nationalstaat mit demokratischen Grundrechten. Seither gilt das Hambacher Schloss als Wiege der deutschen Demokratie."
Ursache für diese große Kundgebung, bei der viel mehr Menschen erschienen als erwartet, waren die politischen Unruhen des Vormärz und der Versuch des Adels und der Königshäuser, ihre Macht weiterhin zu erhalten. Doch die Bürger, viele Akademiker und Publizisten forderten eine gemeinsame Verfassung sowie gleiche Grund- und Freiheitsrechte für alle.
Es ist schon ein erhabenes Gefühl, wenn man an so einem geschichtsträchtigen Ort steht, auch wenn wir aus Zeitmangel die Ausstellung im Schloss nicht mehr besuchen können. So herrscht an diesem späteren Nachmittag zwar kaum mehr großer Besucherandrang, andererseits ist die Uhrzeit ungünstig für die Ausstellung. Man kann eben nicht alles haben.
Dann "begnügen" wir uns halt mit den weiterhin grandiosen Aussichten übers Tal und die Ebenen an diesem sonnigen Tag Anfang Oktober und können uns kaum daran sattsehen. Was haben wir ein Glück mit dem Wetter!
Unser Wohnmobil... in Diedesfeld...
Aber natürlich schauen wir uns auch das Schloss selbst an, wenn auch nur von außen. Es besteht aus einem Mix aus alten Mauern und wiederaufgebauten Teilen und beherbergt auch ein recht großes Restaurant, in dem man durchaus außergewöhnlich seine Hochzeit oder andere größere Festivitäten ausrichten lassen kann - sozusagen ganz in der Tradition des Hambacher Festes... 😉
Info-Tafeln und ein an manchen Stellen recht windiges Lüftchen rund um das Schloss
Es geht auf den Abend zu und das Restaurant hat noch geöffnet, wie schön!
Dann lassen wir jetzt Geschichte Geschichte sein und widmen uns wieder den sehr gegenwärtigen kulinarischen Genüssen in Form eines Weißburgunders mit Flammkuchen. Sehr lecker beides! Und da es ja wie schon erwähnt gar nicht mehr voll ist, haben wir fast freie Auswahl auf der großen Restaurantterrasse mit Blick über Pfälzer Wald und Weinebenen gleichermaßen. Dazu eine Sonne, die allmählich hinter den Hügeln des Mittelgebirges verschwindet. Traumhaft!
Gut gestärkt machen wir uns gegen sechs Uhr am Abend langsam wieder auf den Rückweg zu den Rädern, die einzigen, die da noch stehen. Zurück müssen wir ein wenig anders fahren, da wir ja eine Einbahnstraße hochgekommen sind. Macht nichts, so sehen wir noch ein wenig mehr von der Umgebung. Aber zuvor werfen wir noch einen letzten Blick aufs Schloss. Zu schön liegt es da in der Oktoberabendsonne.
Rasante Abfahrt und idyllische Dorfansichten
Man muss seinem Fahrrad schon ganz schön vertrauen, wenn man mit fast 40 km/h den Berg runterrast. Sind alle Schrauben fest? Funktioniert die Bremse? Aber alles tutti... Wir kommen gut unten an und genießen die Dorfansichten, die sich hier bieten. Es ist allerdings so gut wie nichts mehr los und da auch noch Montag ist, haben fast alle Straußwirtschaften geschlossen. Doch wir haben ja schon gegessen (und getrunken) und am Womo wartet noch eine weitere Flasche Wein auf uns, die wir heute Nachmittag aus dem Stellplatz-Kühlschrank in der kleinen Blockhütte mitgenommen haben (da wird übrigens "angeschrieben" und mit dem Bezahlen des Stellplatzes abgerechnet; sehr geschäftstüchtig!).
Kleine Detailansichten, dörfliche Straßen und teilweise schon ziemlich verfallene Häuser, Stromleitungen übrigens immer über den Dächern, auch bei moderneren Häusern
Ein "Sundowner" mit Blick aufs Schloss am ersten Abend auf dem Weingut
Obwohl wir einige Fotostopps im Ortskern eingelegt haben, sind wir nur 25 min nach Verlassen des Schlosses wieder am Womo, der rasanten Abfahrt sei 's gedankt. Und dort lassen wir den ersten Abend an der Weinstraße - natürlich - mit Wein ausklingen. Bei sagenhaften 21° Celsius um Viertel vor acht Uhr am Abend Anfang Oktober... ist das der Klimawandel?