Hochzeitsfeeling am Morgen und Ritterspiele am Nachmittag

So., 28. Juli 2019, 4. Reisetag / 129 Tageskilometer / von Gretna (Schottland), Campingplatz "Braids Caravan Park" nach New Galloway, Wohnmobilstellplatz Old Edinburgh Road, (kostenfrei), Koordinaten: 55°04'27.0"N 4°08'21.0"W

 

Caerlaverock Castle in der Region Dumfries und Galloway
Caerlaverock Castle in der Region Dumfries und Galloway

Juchhuuu, es regnet nicht, wie wir beim Aufstehen um neun Uhr herum bemerken. Die Luft ist schwül, circa 20° Celsius, und trocken. Das ist doch schon mal was!

Nach dem Frühstück und V+E geht's um kurz vor elf Uhr los. Nur ein paar Minuten später, um Punkt elf Uhr, sind wir in Gretna Green, dem schon erwähnten schottischen "Heiratszentrum für Jugendliche".

Was eine Touristenfalle! Busseweise werden vor allem erneut asiatische Reisende herangekarrt, schwärmen aus, kaufen -zig Souvenirs, schießen Selfies und sind kurz danach alle wieder verschwunden, weiter zum nächsten Ziel der Europareise...

Ist ja ganz schön hier, aber der Hype und Nepp nimmt doch irgendwie überhand.

Als ein Teil der Busse wieder weg ist, wird es ruhiger und wir bleiben insgesamt eine Stunde, mit Gang durch das "Labyrinth der Liebe", aber ohne die Schmiede von innen gesehen zu haben, in der der Schmied von Gretna Green das Glück der Jugendlichen "schmiedete".

Wikipedia schreibt dazu:

Gretna Green gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Hochzeitsorten der Welt; jährlich werden dort etwa 5000 Ehen geschlossen. Der Ort wurde über 200 Jahre lang von minderjährigen Paaren aus England, bald aber auch aus Teilen des übrigen Europas zur Hochzeit aufgesucht, weil sie hier ohne Erlaubnis der Erziehungsberechtigten eine Ehe schließen konnten.

Lange Zeit galten in Großbritannien keine festen Regeln zur Schließung einer Ehe. Im Jahre 1753 verabschiedete das britische Parlament den Lord Hardwicke's Marriage Act, der unter anderem für eine Heirat zwischen Minderjährigen die Einwilligung der Eltern forderte. Dieses Gesetz galt nur für England, nicht aber in Schottland. Dort durften weiterhin Jungen mit 14 und Mädchen mit 12 Jahren eine Ehe ohne elterliche Zustimmung schließen.

Diese Regelung sprach sich sehr schnell herum: Viele minderjährige Paare flohen aus England und das erste Dorf hinter der schottischen Grenze war Gretna Green. Das schottische Gesetz verlangte seinerzeit zu einer Eheschließung lediglich eine Erklärung in Anwesenheit von zwei Zeugen, so dass beinahe jeder zur Abnahme einer Ehezeremonie berechtigt war. In Gretna Green hatte sich der Schmied als Amtsperson für die Eheschließung etabliert. Die Hochzeiten fanden in seiner Schmiede statt, und der Amboss bekam bei den dortigen Trauungen eine besondere Bedeutung. Die Trauungen wurden vor dem Amboss durchgeführt und zum Ende der Zeremonie mit einigen Hammerschlägen auf den Amboss bekräftigt.

Über mehr als 200 Jahre wurden Minderjährige hier getraut. Es kam immer wieder zu dramatischen Szenen, da Väter ihr Kind auf dem Weg verfolgten und versuchten, die Hochzeiten in letzter Minute zu verhindern.

Ab 1856 verlangte das schottische Gesetz, dass die Ehepaare vor der Eheschließung sich mindestens 21 Tage in Schottland aufgehalten haben müssen. Diese Regelung wurde 1977 wieder aufgehoben. 1929 wurde das Mindestalter für eine Eheschließung auf 16 Jahre heraufgesetzt, wobei immer noch keine elterliche Einwilligung verlangt wird.

Die Schmiede, um das Jahr 1712 gebaut, wurde zum Zentrum dieses Heiratshandels. Sie wurde bereits im Jahr 1887 in eine öffentliche Touristenattraktion umgewandelt. Heute kommen täglich hunderte von Touristen aus dem In- und Ausland nach Gretna Green in die Schmiede, die längst zu einem Museum umgebaut ist. Es gibt eine Ausstellung und drei Trauzimmer, die alle mit einem Amboss versehen sind. Darüber hinaus finden sich hier umfangreiche Souvenirshops und ein Selbstbedienungsrestaurant. Zu den sonst wenigen Häusern Gretna Greens gehört auch ein Hotel.

 

Schmiede von Gretna Green
Schmiede von Gretna Green

 

Was aber eigentlich viel mehr ins Auge springt als die ursprüngliche Bestimmung dieses Ortes als wahrhaftige "Heiratsschmiede", das sind die vielen überdimensionierten Souvenirshops. Auch wir lassen uns (leider) dazu verleiten, eines dieser reinsten Warenhäuser mal kurz zu betreten. Ich möchte Herrn Fernschreiber ja einen Kilt "angedeihen" lassen, aber er will nicht... schon gar nicht aus so einem "Ramschladen" wie hier...

Nepp und Ramsch, so weit das Auge reicht...
Nepp und Ramsch, so weit das Auge reicht...

Da gehen wir doch lieber wieder raus und machen dort noch einen virtuellen Cache Isn't That Nice! [Borders], bei dem auch der Owner auf die "Touristenfalle" hinweist...

 

Wir schauen uns noch ein wenig um und gehen schließlich zum etwas abseits gelegenen Courtship Maze, dem Liebeslabyrinth, auf der grünen Wiese.

 

Auch hier in der Nähe, an den Lettern des Wortes LOVE, findet sich noch ein Cache, den wir natürlich "mitnehmen". Zumindest in dieser Hinsicht hat Gretna Green ein bisschen was zu bieten und der Cache-Owner nimmt die Sache wohl ebenfalls mit Humor:

D2 is for divorce (hopefully not)


 

Natürlich gehen auch wir durch das Labyrinth, in dessen Mitte, wie fast überall hier in Gretna Green, ein Amboss steht, als Symbol für die Liebe und handfestes Werkzeug für die Eheringe, die hier geschmiedet wurden. Auch heute kann man hier immer noch heiraten.

 

Zunächst denken wir, das mit dem Labyrinth sei eine einfache Sache, doch einmal drin, war es gar nicht mal sooo einfach, wieder hinauszufinden. Ist das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen für die Liebe? Irrungen? Wirrungen? Sackgassen etwa? Doch immerhin sind wir beide schon über zwanzig Jahre verheiratet. Wie lange hielten wohl die Ehen der jugendlichen Liebenden, deren Bünde hier einst geschlossen wurden?

Nach diesen tiefschürfenden Überlegungen kommen wir wieder am Womo an und ziehen uns - wieder ganz im Hier und Jetzt - erst mal kurze Hosen an, es sind zwar laut Thermometer nur 20° Celsius, aber diese Schwüle ist dennoch schweißtreibend.

 

Weiter zum zweiten Zwischenziel des Tages: Caerlaverock Castle

 

Schmales Sträßchen zur Burg
Schmales Sträßchen zur Burg

Wir folgen nun auf sehr malerischen Sträßchen der in unserem Reiseführer Schottland mit dem Wohnmobil empfohlenen Route, die wir gestern Abend ins Navi eingegeben haben.

Um kurz vor ein Uhr sind wir am zweiten Zwischenziel für heute, dem Caerlaverock Castle in der Region Dumfries und Galloway. Hier ist auf einer riesigen Wiese ein großer Parkplatz, etwas durchgeweicht vom Dauerregen gestern. Denn heute (und auch gestern schon) findet hier ein großes Mittelalter-Event statt, mit Zeltgelage, historischen Kostümen und Reiterkämpfen.

Ist ganz nett, doch das Castle allein hätte uns auch genügt, zumal wir heute wegen der Veranstaltung anstatt wie normalerweise 6 £ gleich 12 £ pro Person Eintritt zahlen müssen.

Wir schauen uns zunächst in Ruhe die Burgruine an und machen uns dabei zunutze, dass gerade irgendein Schauspiel oder dergleichen auf der weitläufigen Wiese etwas entfernt vom Castle stattfindet, zu dem die Leute erstmal strömen. Ist also nicht ganz so überlaufen in der Burg.

 

Es ist unser erstes Castle, das wir hier in Schottland sehen, und dann gleich ein so schönes! Die einzige dreieckige Wasserburg in Schottland - oder das, was noch von ihr übrig ist. Aber gerade auch Ruinen haben ja ihren Reiz! Zumal in dieser Landschaft.

Die einstmals trutzige Burg des Maxwell-Clans entstand 1270 und wurde mehrfach von den Engländern angegriffen, belagert, erobert. Kein Wunder, so grenznah hatte sie eine wichtige strategische Position.

 

 

Wir umrunden die Burgruine erst ganz, bevor wir dann ins Innere gehen, und das alles bei nun schönstem Sonnenschein und warmen Temperaturen!

 








Wir betreten nun über die einzige Brücke zur Burg dieselbige und beobachten derweil die mittelalterlich gewandteten "Burgwächter", die sich einen kleinen Scherz damit erlauben, den ein oder anderen Besucher mit einem Krug Wasser beim Eintritt in die Ruine zu "erfrischen".

Als wir "Einlass begehren", werden wir gefragt, woher wir kommen und auf unsere Antwort: "From Germany" dürfen wir mit einem "Ahhaa!" trockenen Fußes passieren...

 

 





 

Wieder draußen aus der Burg schlendern wir eine Weile durch das Zeltlager, das sich auf der weitläufigen Anlage breit gemacht hat, und beobachten die "Mittelalter-Aktivitäten".

 

 

Wir folgen dem lautstarken Gejubel und den Rufen der Zuschauer ein Stück weiter abseits und sehen nach, was "da los ist": eine wirklich ambitionierte und mit viel Verve aufgeführte Darstellung von Reiterkämpfen mit allem, was dazu gehört: Helme, Rüstung, Lanzen und natürlich Pferde. Eine Story rund um Sieg und Niederlage, Eroberung, Ruhm und Ehre!

 






 

Nach diesem unerwarteten, aber sehr unterhaltsamen "Spektakel" ist es für uns an der Zeit, nach eineinhalb Stunden des Aufenthaltes gegen kurz vor halb drei Uhr langsam weiterzuziehen. Es liegen noch einige schöne Aus- und Ansichten - im wahrsten Sinne des Wortes - vor uns.

 

Auf zum nächsten Zwischenziel des Tages: Sweetheart Abbey in New Abbey

 

Über viele kleine Landstraßen hinweg führt der Weg weiter zum schönen Örtchen New Abbey, das wir eine Dreiviertelstunde später erreichen, und wo sich die Ruine von Sweetheart Abbey majestätisch in den Himmel reckt.

 

In diesem ehemals letzten schottischen mittelalterlichen Zisterzienserkloster ließ eine hohe schottische und reiche Adlige, Dervorguilla de Balliol, Lady of Galloway, die Gebeine ihres verstorbenen Mannes umbetten, nachdem sie die Abtei 1273 gestiftet hatte. Nur das einbalsamierte Herz ihres Mannes trug sie in einem Elfenbeinkästchen immer mit sich herum. Auch eine romantische Liebesgeschichte, ähnlich wie Gretna Green, nur mit einem tragischeren Ausgang...

Leider ist  die Abtei-Ruine zurzeit eingerüstet und nur von außen zu betrachten. Dafür braucht man aber keinen Eintritt bezahlen.






 

Da der Ort New Abbey wirklich sehr malerisch ist, wie wir beim Durchfahren gesehen haben, schauen wir uns nun zu Fuß noch ein wenig dort um (außerdem hat Herr Fernschreiber wieder mal einen Cache auf der Karte entdeckt): The Duck Pond

 

 

Zwischenstopp Drumburn Viewpoint

 

Nach genau einer Stunde, um Viertel nach vier Uhr geht's weiter, immer an der "Sumpflandschaft" der Drum Bay vorbei, einer kaum wasserführenden Meeresenge des Atlantiks. Sieht interessant aus. Deshalb machen wir auch einen kleinen Zwischenstopp an einem schönen Aussichtspunkt - Drumburn. Dort ist sogar ein Cache, wie Herr Fernschreiber erfreut feststellt: Drumburn Viewpoint.

 

 

Landschaftlich ungewöhnliche "Sackgasse" Rockcliffe: Das Meer ist weg!

 

Weiter geht die Fahrt Richtung Südwesten in die geographisch reizvolle "Sackgasse" Rockcliffe. Auch hier schafft es der Atlantik kaum - ähnlich wie beim Drumburn Point - sein Wasser bis an die Küstenlinie zu bringen, so dass im Moment eine riesige "Modderfläche" zu sehen ist, ähnlich dem Wattenmeer der deutschen Nordseeküste. Zugegeben, der "freie" Atlantik ist das hier ohnehin nicht, westlich liegt noch Irland. Und jede Menge "Winkel und Buchten" zerteilen die Küstenlinie sowieso. Die Info-Tafel teilt uns mit, dass die umgebenden Flüsse Sedimentablagerungen ins Meer spülen und somit das Meer an der Küstenlinie allmählich verlandet.

Die Insel Rough Island, die auf manchen Fotos im Hintergrund zu sehen ist, könnte man wohl fast zu Fuß erreichen.

Tausende von Muscheln liegen zwischen Gras und Algen und es sieht an unserem Standort nicht so aus, als käme das Wasser hier überhaupt nochmal hin.

 

 

Zum Stellplatz in New Galloway

 

Um Viertel nach fünf Uhr verlassen wir Rockcliffe wieder, fahren den Weg bis Colvend zurück und lenken unser Womo erneut auf die A 710. Nun geht's in nordwestliche Richtung weiter Richtung New Galloway. Das Thermometer zeigt 23° Celsius, es ist sonnig, bewölkt.

Gegen sechs Uhr am Abend fahren wir durch einen kurzen, plötzlichen Regenschauer, am sehr langgestreckten Loch Ken vorbei, und kommen um Viertel nach sechs Uhr am Stellplatz (eher Parkplatz) in dem kleinen Örtchen New Galloway an.

 

 

Hier gibt es Mülleimer, aber ansonsten keine V+E und es ist nicht viel los hier. Nur ein (deutsches) Wohnmobil steht hier auch noch, aber die Besitzer bleiben im Wagen, wie wir auch, Campingverhalten ist hier eh nicht erwünscht. Ist aber auch nicht weiter schlimm, denn es bleibt bewölkt, draußen im Nassen sitzen ist nicht unbedingt schön. Ist aber trotzdem ein nettes Dörfchen hier.

 

 

Herr Fernschreiber macht Abendessen, ich repariere meine heute Morgen leicht lädierten Trekkingsandalen notdürftig. Mit Routenplanung, Fotosicherungen und -sortierungen und Blognotizen füllt sich der Abend. Aber ein Spielfilm auf DVD im Fernseher sitzt zeitlich auch noch drin, bevor es in die Heia geht.