Do., 1. August 2019, 8. Reisetag / 0 Tageskilometer mit Womo / Glen Nevis Caravan & Camping Park, Fort William (26,50 £ mit
Strom)
Als wir morgens aufwachen, ist der gesamte Campingplatz fast bis auf den Boden in dichte Wolken gehüllt. Prima Wetter zum Wandern... Bei 19° Celsius kommt man dafür auch nicht soooo schnell ins Schwitzen.
Dabei sind wir uns noch gar nicht ganz darüber im Klaren, wohin und wie lange wir überhaupt wandern wollen. Wir wissen nur, dass wir hier einen Tag länger pausieren wollen und gehen daher gegen halb elf Uhr mal zur Rezeption, um nach den Möglichkeiten zu fragen.
Jetzt - am Vormittag - wird uns ein parzellierter Platz sogar mit Stromanschluss angeboten, für 4,50 £ mehr pro Tag, den wir auch annehmen. Auf dem Campingplatz gibt es ein Kommen und Gehen, da die meistens wohl Schottland auf einer Rundreise erleben und scheint's nicht sehr lange bleiben - wie wir selbst ja auch. So ziehen wir mit unserem Womo ein paar hundert Meter weiter innerhalb des Platzes auf eine neue Parzelle um.
Zum Besucherzentrum und von da aus auf den Ben Nevis (gälisch Beinn Nibheis)
Als der Umzug mit dem Womo erledigt ist, schmeißen wir uns in unser "Wander-Outfit", soll heißen, knöchelhohe Wanderstiefel, Trekkinghosen, Rucksäcke mit Verpflegung und warmer Kleidung, Wetterjacken und machen uns um Viertel vor zwölf Uhr zunächst auf Richtung Visitor Center, ungefähr zwei Kilometer vom Campingplatz entfernt. Mitterweile haben wir uns entschieden, den Ben Nevis zu besteigen, haben aber zuvor sträflicherweise unseren Reiseführer in dieser Sache nur oberflächlich überflogen, sprich: wir sind uns gar nicht richtig bewusst, dass dies eine ziemlich anstrengende, lange Tageswanderung ist, die man auch möglichst nur bei gutem Wetter und frühzeitig am Tag in Angriff nehmen sollte. Auf dem gesamten Weg nach oben gibt es keinen Schutz vor den plötzlich auftretenden Wetterumschwüngen, die hier häufig vorkommen. Gemessen an der Höhe des Berges geschehen hier relativ viele, auch tödliche Unfälle (laut Wikipedia) und der Gipfel des Ben Nevis ist sowieso an ungefähr 300 Tagen im Jahr im Nebel ("Ben Nevis Fog") verschwunden. Heute ist ja schon im Tal nicht das beste Wetter... (hätten wir das alles vorher gewusst, wären wir wahrscheinlich nicht mehr losgelaufen oder hätten uns zumindest den Besuch des Visitor Centers gespart).
Man überwindet vom Tal (der Campingplatz liegt auf circa 20 m über NN) zum Gipfel auf 1345 m also über 1300 Höhenmeter, und das alles natürlich zu Fuß auf einer Strecke nach oben über ungefähr acht Kilometer (auch diese Strecke hatten wir nicht so ganz "auf dem Schirm"), nicht mit einer bequemen Seilbahn oder dergleichen (die haben wir hier in den Highlands eigentlich noch nie gesehen [und auch nicht erwartet], nur einmal einen Sessellift für den Winter). Das ist ja gerade das Schöne an Schottland: die relative Unberührtheit der Natur!
Am Besucherzentrum angekommen, kaufen wir uns erstmal eine Wanderkarte, da immer wieder empfohlen wird, nicht nur mit GPS oder digitalen Karten loszulaufen. Wir orientieren uns ein wenig und starten (erst) um Viertel nach zwölf Uhr mit der eigentlichen Wanderung, immer wieder unterbrochen durch Regengüsse.
Regenschauer begleiten uns auf dem Weg nach oben
Das einzig Gute an dem Wetter ist, dass wir keinen Sonnenbrand zu befürchten haben und wir nicht mit Unmengen von Touristen rechnen müssen. Obwohl es keine 20° Celsius sind, wird es doch ganz schön warm beim Gehen, so dass wir schon bald aus unseren langen Trekkinghosen wieder kurze machen. Daran ändern auch die Regenschauer nichts, die immer mal wieder auf uns einprasseln. Nur die Gott sei Dank gut imprägnierten Outdoorjacken sind unerlässlich!
Eine ganze Zeitlang wird uns der Anblick des Campingplatzes im Tal begleiten und wenn es dann doch mal wieder sehr nass und glitschig auf den Steinen wird oder es steil nach oben geht, schweift der Blick fast sehnsüchtig zum Womo. Doch halt, wir sind doch keine "Weicheier"! Immer weiter geht's!
Das Mitschleppen der "großen" Kamera - noch dazu mit Wechselobjektiven und weiterem Zubehör - wird sich angesichts des Wetters bald als recht überflüssig erweisen. Nach ein paar wenigen Fotos mit dem Fotoapparat noch ziemlich weit unten im Tal packe ich die Kamera wegen des Regens lieber weg und ziehe die Regenhülle über die Kameratasche. Alle weiteren Bilder werden dann also "schnöde" Handyfotos sein. Ist unter diesen Umständen einfach das weniger "Umständliche"...
Doch wenn es mal nicht regnet, wird mit jedem Höhenmeter die Aussicht interessanter und schöner. Oft halten wir inne, um die Landschaft zu genießen, auch wenn die Wolken noch dominieren. Aber vielleicht macht auch gerade das die typische, "geheimnisvolle" Atmosphäre Schottlands aus. Dass es häufiger regnen wird, weiß ja jeder Schottland-Urlauber...
Beim Wandern selbst ist der Blick strikt nach unten auf den meist steinigen Boden gerichtet, man mag sich gar nicht vorstellen, wie lange es im Falle einer Verletzung braucht, bis Hilfe naht, vor allem, wenn man weiter oben ist. Bis auf wenige präparierte Wanderpfade gibt es hier keinerlei Infrastruktur auf dem Weg nach oben, kaum Wegweiser, auch nicht so etwas wie Bänke, Mülleimer oder gar Unterstände, Schutzhütten. Was die Urtümlichkeit der Landschaft noch unterstreicht und irgendwie sehr schön ist. Und trotz - oder gerade wegen - fehlender Infrastruktur ist die Landschaft sehr sauber, kein Müll liegt herum (Schottland-Touristen scheinen eben sehr umweltbewusst zu sein).
Die Gedanken schweifen beim Aufstieg ab, man kann sich so richtig vorstellen, wie die Highlander-Clans hier schon vor hunderten vor Jahren durch die unveränderte Bergwelt streiften (vor allem, wenn man - wie ich - die Bücher von Diana Gabaldons Highland-Saga gelesen hat...).
"Half Way Loch" (Lochan Meall an t-Suidhe) - ein See in den Bergen
Ungefähr auf halber Strecke zum Gipfel sehen wir einen See, der einsam und allein zwischen den Berggipfeln des Ben Nevis und dem benachbarten Meall an t-Suidhe liegt (wenn ich nur wüsste, wie man dieses Gälische richtig ausspricht... (ab-)schreiben ist ja einfach...), auf dessen Pfaden wir bisher waren. Erst von hier aus besteigt man im Grunde wirklich den Ben Nevis. Der direkte Aufstieg wäre zu steil, dafür ist der Weg über den Nachbarberg länger.
Es wir zunehmend kühler, auch wenn es nun vermehrt trocken bleibt. Es ist jetzt ungefähr halb drei Uhr und wenn uns Wanderer begegnen, kommen die aus der Gegenrichtung, also vom Gipfel. Hinauf will anscheinend niemand mehr, zumindest sehen wir an dieser Stelle am See mit seiner tollen Weitsicht nach unten und oben keine Menschen mehr, die auf dem Weg nach oben sind... Und der Gipfel selbst? Tja, den sehen wir auch nicht, der versteckt sich - wie fast immer - im Nebel.
An einem kleinen Wasserfall vorbei geht es immer weiter nach oben. Rast kann man nur auf einigermaßen geeigneten Felsbrocken machen. Aber besser als nichts... Hauptsache, mal Beine ausstrecken...
Das Wetter schlägt wieder um...
Nach einiger Zeit trockenen Wetters, sogar ab und zu mal mit Sonnenschein, wird ungefähr eineinhalb Meilen unterhalb des Gipfels, noch ein paar Höhenmeter entfernt, das Wetter wieder schlechter, es fängt erneut an zu regnen. Überall um uns herum auf den Geröllfeldern bilden sich jetzt Nebelschwaden. Angesichts dessen und der fortgeschrittenen Zeit - es ist mittlerweile Viertel vor vier Uhr - beschließen wir schweren Herzens, von hier aus umzukehren. Schließlich liegen noch mehrere Stunden Abstieg vor uns und oben ist alles im Nebel, würde man also sowieso nichts sehen...
Der Ehrgeiz in uns will zwar bis auf den Gipfel, die Vernunft sagt aber nein. Außerdem sind nun kaum noch Menschen hier oben unterwegs, das ist uns doch insgesamt alles ein wenig zu riskant. Wir sind einfach viel zu spät aufgestiegen.
Wir machen noch ein "Abschlussfoto" von unserem persönlichen "Highpoint" und machen uns an den Abstieg.
Vernunft schlägt Ehrgeiz
Obwohl wir nicht ganz oben waren, sind wir doch zufrieden, was wir noch aus diesem Tag "herausgeholt" haben. Die Aussichten waren jetzt schon grandios und atemberaubend, was die Fotos kaum so wiedergeben können (und ich habe praktisch den ganzen Tag nicht an den kaputten Außenspiegel gedacht...).
Ab hier wäre heute sowieso kein weiterer Rundumblick mehr möglich gewesen, wegen des Nebels. Außerdem müssen wir ja zugeben, dass wir ein bisschen "ausgepowert" sind und der Abstieg geht ja bekanntermaßen auch noch mal "in die Beine".
Wieder im Tal
Kurz bevor wir wieder im Tal (gälisch Glen) sind, nehmen wir eine Abkürzung, die uns letztlich zur Jugendherberge führen wird. Dieser Weg ist steiler, dafür kürzer. Geht ganz schön in die Waden... und die spüren wir sowieso schon über die Maßen...
Hier sehen wir Hinweisschilder, die auf dem Weg vom Besucherzentrum aus nach oben nicht aufgestellt waren und die uns eindrücklich vor Augen führen, wie man sich auf den "Gipfelsturm" des Ben Nevis vorbereiten soll. Na jaaa, hätten wir das heute Mittag vor dem Aufstieg gelesen, wir hätten es wohl sein lassen - oder zumindest nicht den Anspruch gehabt, bis ganz nach oben zu kommen.
Um kurz vor halb sieben Uhr am Abend sind wir wieder glücklich auf dem Campingplatz, nachdem wir von der Jugendherberge aus nochmals circa zwei Kilometer gehen mussten, aber das auf waagerechten Wegen, welche Wohltat nach circa 1250 m Höhenmetern... Wir sind ziemlich kaputt und kaum sind wir frisch unter der Dusche weg, fängt es kurzzeitig wieder an zu schütten. Aber nun stört es uns überhaupt nicht mehr... Nur noch ein Abendessen zählt jetzt noch, und danach: Füße hochlegen und FEIERABEND!
Ein unvergesslicher Tag in den Highlands von Schottland neigt sich seinem Ende zu.