Ganz im Zeichen von Astrid Lindgren: Katthulthof, Bullerbü und Vimmerby

Mo., 8. August 2016, 17. Reisetag / ca. 30 Tageskilometer / von Vimmerby (Provinz Kalmar, histor. Provinz Småland), Campingplatz "Hotell, stugby, camping & restaurang 'Karaktärshotellet Björkbacken'" nach Ankarsrum (Provinz Kalmar), Campingplatz Långsjön, Koordinaten: 57.6950278,16.2877652

Der Katthulthof - Drehort von "Michel aus Lönneberga" in Gybberyd nahe Vimmerby
Der Katthulthof - Drehort von "Michel aus Lönneberga" in Gybberyd nahe Vimmerby

Heute ist der Tag der Kindheitserinnerungen! Da wir Eltern Fernschreiber natürlich - wie gefühlt  99% der deutschen Bevölkerung - mit der heilen Welt in den Geschichten Astrid Lindgrens aufgewachsen sind und dies, ebenfalls selbstverständlich, auch unseren Kindern nicht vorenthalten haben, tauchen wir heute alle gemeinsam ganz in die Welt von Michel aus Lönneberga und den Kindern aus Bullerbü ab.

Allerdings zieht es uns mehr zu den Originalschauplätzen und wirklichen Drehorten als in den großen Freizeit- und Erlebnispark „Astrid Lindgrens Värld“ am Stadtrand von Vimmerby, in dem die Helden der Kindheit in den Sommermonaten zwar auch Geschichten und Szenen nachspielen und die Gebäude ein wenig "en miniature" nachgebaut sind, aber hier eben alles "künstlich" ist. Die Welt Astrid Lindgrens erlebt man in Schweden doch eigentlich überall dort, wo es rote Häuser, grüne Wälder und geheimnisvolle Seen gibt. Dafür brauchen wir keinen Freizeitpark... aber zugegeben, wenn die Fernschreiber-Töchter noch jünger gewesen wären, hätten wir den Freizeitpark wahrscheinlich doch besucht, denn nur hier findet sich Pippi Langstrumpf in der nachgebauten Kulisse der Villa Kunterbunt.

So machen wir uns gegen halb zwölf Uhr zunächst auf in Richtung Sevedstorp, einem winzigen Ort mit noch nicht einmal zehn Einwohnern, schlecht ausgeschildert und daher eigentlich sympathisch mitten im Wald und zwischen Feldern liegend - dem eigentlichen Drehort von "Die Kinder aus Bullerbü" (Koordinaten: 57.6122856,15.6656857).

Nach einer knappen halben Stunde Fahrt vom Campingplatz in Vimmerby aus stehen wir schließlich vor den typischen drei Häusern des "Nord-", "Mittel-" und "Südhofs", die in der Welt Astrid Lindgrens das gesamte fiktive Dorf Bullerbü ausmachten. Hier ist die Heimat von Lasse, Bosse und Lisa auf dem Mittelhof, Britta und Inga auf dem Nordhof, Ole und seine kleine Schwester Kerstin auf dem Südhof, die uns früher so gerne teilhaben ließen an ihrem quirligen und bunten Leben.

Der Mittelhof ist heute noch bewohnt; alles sieht genauso aus wie in den Filmen, auch der Glockenturm und Hühnerstall sind unverändert.

                Wie kam es wohl zu diesem Drehort hier in Sevedstorp? Astrid Lindgrens Vater, Samuel August Ericsson, wuchs in seinen Jugendjahren (von sieben bis siebzehn Jahren) im Mittelhof ("Mellangården") auf, und diese Idylle war später die ideale Kulisse für die Geschichten seiner Tochter Astrid. Da brauchte man nicht mehr lange nach einem geeigneten Schauplatz suchen...

Eine dreiviertel Stunde lassen wir uns auf eine "Zeitreise" mitnehmen, die angenehm "unspektakulär" daherkommt: Neben einer kleinen "Rallye", bei der es (schwedische) Fragen zu den "Kindern aus Bullerbü" zu beantworten gilt, gibt es nur ein Café, das dezent in der Scheune untergebracht ist und Kaffee und Kuchen für die Touristen anbietet, die sich hierher verirren. Fotos von den Dreharbeiten, an denen Astrid Lindgren oft selbst teilgenommen hat, hängen an den Wänden, das war's eigentlich schon. Schön!

 

 

Wir verlassen "Bullerbü" und brechen auf zum "Katthulthof", der in der kleinen Ortschaft Gybberyd liegt, circa fünfzehn Fahrminuten von Sevedstorp entfernt (Koordinaten: 57.6898225,15.5525185). Hier nämlich, auf dem privaten Bauernhof "Astrid Johannsson Gård", und nicht in Lönneberga, wurden die Außenaufnahmen für "Michel aus Lönneberga" gedreht. In Lönneberga selbst würde man gar nichts finden...

Anders als in "Bullerbü", wo man nur 40 Kronen Gebühr für den Parkplatz entrichten musste, wird im alten, traditionell småländisch gehaltenen Katthulthof Eintritt verlangt: Nach Bezahlung von moderaten 120 Kronen (ca. 12,50 Euro) fühlen wir uns auch hier beim Anblick des Haupthauses, vor dem die berühmte Fahnenstange steht, an der Michel seine Schwester Klein-Ida hochgezogen hatte, an alte Zeiten erinnert. In Wirklichkeit war es zwar ein nicht ganz so hoher Mast, aber was spielt das hier für eine Rolle...

Auch der Tischlerschuppen, in den Michel immer gesperrt wurde, wenn er etwas "ausgefressen" hat, ist zu sehen. Es ist das Einzige, was von der Filmcrew dazugebaut wurde, alle anderen Gebäude sind schon vor den Dreharbeiten vorhanden und in Gebrauch: Neben dem Bauernhaus die kleine Knechthütte von Alfred, das Toilettenhäuschen ("Trissebude"), die Speisekammer, das Hühnerhaus, der Schweinestall, der Erdkeller und noch ein paar kleine Schuppen mehr, die alle in den insgesamt drei Kinofilmen und einer Serie mit dreizehn Folgen von 1971 bis 1973 eine Rolle spielen.

Das gesamte Anwesen ist in Privatbesitz, bis heute. Doch 1970 kommt besagtes Filmteam und fragt an, ob hier die Filme vom Michel gedreht werden dürfen. Nach den Dreharbeiten soll alles wieder normal werden, doch der Boom der Michel-Filme hält ungeahnt weiter an, so dass die Familie umdenkt und nun den Besuchern ihr Anwesen öffnet. Gute Marketing-Strategie! Nur die Besichtigung des Haupthauses ist nicht möglich; dort wird nach wie vor gewohnt.

Da die Inneneinrichtung dieses Hauses sowieso zu modern für eine gespielte Zeit von etwa 1906 bis 1910 war, wurden die Innenaufnahmen des Wohnhauses in einem Studio in Mariannelunds Volkshochschule gedreht.

Wir schlendern also bei recht schönem Sonnenwetter knapp eine Stunde durch die Welt von Michel, der in Schweden "Emil" heißt. Doch dieser Name ist in Deutschland schon mit Erich Kästners "Emil und die Detektive" besetzt, so dass "Emil" wegen der deutschen Koproduktion einfach in "Michel" unbenannt wird. Egal ob Michel oder Emil, wir genießen die Zeitreise und die schwedisch ländliche Idylle sehr.

 

 

Nach diesem Ausflug in die Vergangenheit fahren wir ins Zentrum von Vimmerby, parken am Rande eines Einkaufszentrums und sitzen gegen halb vier Uhr vor dem Tourismusbüro und dem Astrid Lindgren-Denkmal auf dem Platz davor ein wenig in der Sonne (Koordinaten: 57.6649956,15.8543752).

Natürlich wird auch hier zwischendurch wieder der Blick auf die Geocache-Karte geworfen, um zu sehen, was es in der Nähe so geben könnte. Und siehe da: In dem 2014 künstlerisch gestalteten und angelegten "Bokkiosk" (so auch der Name des Caches), der mitten auf dem Platz steht und in beiden Fotos unten zu sehen ist, hat sich tatsächlich eine Dose in Form eines Buches versteckt. Diese öffentlichen "Bücherschränke" sieht man ja allenthalben, so auch hier, und werden als attraktives Ziel gerne auch von der Geocachegemeinde benutzt. Auf diese Weise ist uns auch die heutige "Tagesdose" sicher, zwischen all den Gedanken um Astrid Lindgren...

 

Danach geht es weiter zum Geburtshaus von Astrid Lindgren im früheren Stadtteil von Vimmerby, Näs, einem ehemaligen Bauernhof auf kirchlichem Pachtgrund. Dort, in einem kleinen rot angestrichenen Holzhäuschen, ist Astrid Lindgren am 14. November 1907 als Astrid Ericsson zur Welt gekommen (Koordinaten: 57.6742344,15.8552731).

So ist es zumindest in etwa in unseren Reiseführen zu lesen und irgendwie erwarten wir, die unbeschwerte, fröhliche Kindheit, in der Astrid Lindgren aufgewachsen war, auch landschaftlich an ihrem Geburtsort wiederzufinden. Doch dann die Ernüchterung: Wo früher nur Felder, Wälder und Wiesen ihre Kindheit bestimmten, stehen heute eine Wohnsiedlung direkt gegenüber, Firmen und große Einkaufszentren. Das sieht hier ganz anders aus als früher und ist ein recht gesichtsloser Ortsteil Vimmerbys geworden.

Irgendwo mittendrin in den von außen kaum zu sehenden 3,5 ha großen Gärten stehen das kleine rote Geburtshaus Lindgrens und das größere, heute gelbe Haus, in das die Familie später umgezogen ist. Dafür muss man allerdings Eintritt berappen. Was ein Unterschied zur Idylle von Bullerbü und Katthult!

Das dunkle, runde, modern anmutende Ausstellungsgebäude "Astrid Lindgren Näs" zeigt, wie kommerzialisiert oder - positiv gesprochen - stolz Vimmerby seine berühmteste Tochter sieht. Uns ist das allerdings ein bisschen zu viel Kommerz. Zwar gehen wir in das Foyer der Ausstellung, schauen uns im Verkaufsraum um und kaufen ein Buch über das Leben und Wirken Astrid Lindgrens, doch den Eintrittspreis von umgerechnet knapp 36 Euro (zwei Erwachsene, Kinder unter 16 Jahren frei) sparen wir uns, ehrlich gesagt. Die Gärten, seit diesem Jahr fertig angelegt, und die zwei verschiedenen Ausstellungen mögen vielleicht ihren Reiz haben, doch die ursprüngliche Natur Schwedens ist uns irgendwie lieber. Die Besichtigung des Elternhauses der Autorin innerhalb der Gärten hätte nochmals mit 280 Kronen (knapp 30 Euro) für uns vier zu Buche geschlagen. Auch angesichts der fortgeschrittenen Zeit - mittlerweile ist es kurz vor halb fünf Uhr - geht für uns der "Kosten-Nutzen-Faktor" nicht ganz auf und so gehen wir allmählich zum nahe geparkten Womo zurück.

 

Wenn wir schon in der Nähe eines der vielen Einkaufszentren in Näs sind, die die Erinnerung an Astrid Lindgrens Geburtsstätte ein wenig trüben, nutzen wir eines davon auch, denn unser Vorrat an frischen Lebensmitteln könnte wieder ein wenig aufgestockt werden. In der schon bekannten ICA-Kette finden wir alles Notwendige und um kurz nach halb sechs Uhr verlassen wir Vimmerby Richtung Ostküste und Västervik, das nur noch circa 50 km entfernt ist.

 

Unterwegs allerdings entdecken wir von der Straße aus - ähnlich wie uns das auch bei dem "namenlosen kleinen Campingplatz" vor zwei Tagen passiert ist - den sehr schön gelegenen Campingplatz in Ankarsrum mit 42 Parzellen, "Långsjön Stugor & Camping", am gleichnamigen See gelegen. Da die "Sechs-Uhr-Marke" schon überschritten ist und wir nichts Konkretes in Västervik ins Auge gefasst haben, stoppen wir hier und fragen nach einem freien Platz... Glück gehabt, genau drei sind noch frei und für 290 Kronen mit Strom sind wir dabei.

Zu unserem Erstaunen werden wir an der Rezeption in deutscher Sprache empfangen und erfahren, dass der Campingplatz unter schweizerischer Leitung geführt wird. Ein sehr nettes Paar, Karin und Roger, das diesen Platz leitet und für eine herzliche, familiäre Atmosphäre sorgt. Wir sehen uns auf dem Platz um, entdecken super saubere, gepflegte und sehr moderne Waschhäuser und lernen auch ein Soester Paar mit kleiner Tochter kennen... klein ist die Welt...

Herr Fernschreiber findet hier direkt neben der kleinen Schmalspurbahn einen weiteren Cache am heutige Tage. Die historische kleine Bahnstrecke ist 71 km lang, führt von Västervik nach Hultsfred und die Haltestelle "Fagersand" befindet sich direkt hier am Platz. Putziges Bähnchen, das wir am Abend auch einmal hier halten und weiterfahren sehen und das häufig von Touristen benutzt wird.

 

Gegenüber der Straße liegen Kanus, Ruder- und Motorboote am Steg, die man über den Campingplatz mieten kann. Uns erscheint der Gedanke an eine erneute Kanutour reizvoll, wollen aber angesichts des Wetters und des vorhergesagten Windes erst einmal bis morgen mit der Buchung warten.

Eine Weile bleiben wir noch am schönen Seeufer, wir suchen noch einen Cache, werden aber zwischen den Felsen am Ufer dieses Mal nicht fündig. Na ja, die Schönheit der Landschaft und der tolle Sonnenuntergang sind aber eigentlich auch viel interessanter.

Zurück am Womo futtern wir unsere frisch eingekauften Salate im Abend-Sonnenlicht und lassen einen abermals ereignisreichen Urlaubstag beim anschließenden Badmintonspiel ausklingen.